Halbzeit

6 Monate. 26 Wochen. 183 Tage. 4.392 Stunden. 263 520 Minuten. 15 811 200 Sekunden. Bin ich in Georgien. Ist das Glas halb voll oder halb leer? Auch wenn es für mich auf den ersten Blick halb leer scheint, versuche ich das halb volle Glas zu sehen. Denn es sind zwar nur noch 6 Monate. Aber es sind auch noch 6 Monate. 6 Monate, die hoffentlich genauso intensiv, erlebnisreich und so voller lachen und strahlen sind, wie die letzten. 


Georgien ist für mich eine neue Heimat geworden. Und zwar so sehr, dass ich mich über manche Sachen nicht mehr wunder, ärger oder mich überraschen lasse. Heute möchte ich einen kleinen Überblick geben, über Dinge die auf den ersten Blick vielleicht gewöhnungsbedürftig scheinen. Ich will damit nicht werten, dass in Deutschland die Sachen besser sind (ganz im Gegenteil). Diese Dinge würden euch vielleicht auffallen, wenn ihr das erste Mal nach Georgien kommt. Vielleicht sind es aber auch Sachen, die man wissen sollte bevor man hier her fährt.
  1.  Georgisch ist eine eigene Sprache und gehört bspw. nicht zu den slawischen Sprachen. Das Alphabet hat 33 Buchstaben. Jeder Buchstabe steht für einen laut. (Mittlerweile beherrsche ich alle, aber auch nur wenn ich mich wirklich anstrenge. Für den einen Laut habe ich 7 Monate geübt.) Du kannst mit einem Verb ganz viel ausdrücken. So kannst du z.B. sagen "Ich schicke dir" - das ganze aber in einem Wort.
  2. "gogo" bedeutet Mädchen. Es wird hier viel als Ansprache verwendet. Da es bei uns eher negativ belegt ist habe ich eine ganze Zeit gedacht, dass ich irgendetwas falsch mache. Doch hier hat es eine sehr positive Bedeutung. Wenn ich wieder da bin, werden viele von mir "vaime deda" hören. Das wird hier zu allem gesagt. Von der Bedeutung ist es ähnlich wie "oh mein Gott". Und mann kann es einfach immer und überall verwenden.
  3. Aus Georgien kommt die Nordmanntanne.
  4. Es gibt keine Briefkästen. Post muss man abholen oder sie wird dir gebracht (Rechnungen zum Beispiel werden vor die Tür gelegt)
  5. Viele Häuser (vorallem im Dorf) haben noch keine Toilette im Haus. Das heißt man geht immer nach draußen zu einer Art Plumpsklo.
  6. Es gibt keine Türklingeln (die Türen stehen eigentlich immer und für jeden offen)
  7. Egal was man einkauft: Man bekommt immer eine Plastiktüte (auch wenn man nur eine Tesafilmrolle kauft, oder eine Kaugummipackung) und es gibt keine Mülltrennung.
  8. Für uns scheint Georgien auf den ersten Blick, sehr billig (ein Kilo frische Tomaten kosten umgerechnet 40 Cent.) Doch die Georgier verdienen auch nicht das selbe wie in Deutschland. 100 € pro Monat findest du hier nicht selten als Lohn. 
  9. Als die "Visafreiheit" beschlossen wurde, wurde das gefeiert, als ob Georgien in die EU beigetreten wäre. Im Fernsehen lief andauernd die Europa Hymne und dazu die europäische und georgische Flagge.
  10. Auf der Rückbank, im Auto, gibt es keine Anschnallpflicht (und oft auch keine Anschnaller)
  11. Es gibt das Gerücht, dass manche Taxifahrer in Tbilisi gar keinen Führerschein haben. Sie sollen sich einfach die Taxischilder selber gebastelt haben und damit rumfahren. 
  12. Georgische Weisheit: Georgien ist das einzige Land in dem man, wenn man die Straße überqueren möchte, nach links, nach rechts, nach oben und unten gucken muss. (so gibt es zwar Zebrastreifen, aber die dienen nur zur Dekoration. Auch Kreisel funktionieren ein bisschen anders -leider hab ich noch nicht rausgefunden wie. Außerdem gibt es in Ozurgeti keine Ampeln)
  13.  Viele Autos werden importiert. Autos, die für uns unfahrbar scheinen, gibt es massenweise. Auch Opel ist hier sehr beliebt (Es gibt in Ozurgeti sogar einen Opelclub)
  14. Es gibt viele streunernde Hunde (aber alle sind sehr sehr lieb! Oftmals wollen sie einfach nur geknuddelt werden)
  15. Vielen (Hof-) Hunden werden Ohren und Schwanz abgeschnitten [(damit sie aggressiver sind und den Hof besser beschützen können) (das hört sich jetzt schrecklich an, aber in Deutschland ist das "erst" seid 1987 verboten und war früher durchaus auch ein Schönheitsideal)]
  16. Essen ist eigentlich immer regional und saisonal
  17. Massentierhaltung ist hier ein Fremdword und allen den ich davon erzählt habe waren entsetzt. Denn hier wird nur das Fleisch gegessen, welches sie auch "brauchen." (z.B. wurde bei uns ein Schaf geschlachtet und eingefroren und davon isst meine Familie immernoch.) Ziemlich alles an Lebensmitteln wird verwendet. (wenn z.B. nur noch Reste vom Fleisch übrig da sind, Knochen und zähes Fleisch wird daraus eine Suppe gekocht)
  18. Wenn Kaffee getrunken wird, dann türkischer.
  19. lautes Naseputzen ist extrem unhöflich (nur abtupfen, hochziehen oder auf Toilette gehen und dort putzen, ist okay)
  20. Georgischer Tanz ist aus Kriegszeiten entstanden. Jede Region hat einen eigenen Tanz (aber alle sind verdammt anstrengend!! Ich habe jetzt mit georgischem Tanz angefangen und bin jedes Mal fix und fertig)
  21. Marschrutkas sind, wenn auch ein wenig holprig, das beste Transportmittel. Sie fahren überall hin und halten an wo auch immer du willst.  (Züge hingegen brauchen seeehr viel länger)
  22. Georgien ist vermutlich das einzige Land der Welt in dem du Palmen siehst, die einen halben Meter mit Schnee bedeckt sind. 
  23. Georgier lieben Supra. Das bedeutet Essen und Trinken. Beides in Mengen. Zur Supra gibt immer Tschatscha (selbstgemachter Vodka) und selbstgemachten Wein. Ersteres ein bisschen gewöhnungsbedürftig. Letzteres sehr sehr lecker. Ich kann mir nicht vorstellen nochmal anderen Wein zu trinken.
  24. Viele Mythen spielen hier. Wie das goldene Vlies oder Prometheus, der hier an einem Berg gefesselt war und täglich  ein Adler kam, der ihm die Leber rausgepickt hat. 
  25. Die Georgier lieben Feuerwek, wann immer es einen Anlass gibt wird es gezündet. 
Natürlich würde ich jedem empfehlen einmal nach Georgien zu kommen. Denn die Georgier sind berühmt für ihre Gastfreundschaft und Deutsche haben hier einen sehr hohen Status. Ich bin sehr dankbar das alles erleben zu dürfen und freue mich auf die nächsten 6.

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